Vorstand der Regionalwert AG Dorle Gothe an ihrem Infostand

Foto: Gesa Maschkowski

Interview

Was steckt hinter der Regionalwert AG?

7 Fragen an Dorle Gothe, Vorstand Regionalwert AG Rheinland

Es gibt noch viel zu wenig Bio im Rheinland. Auf den Feldern, den Märkten, Restaurants und in Geschäften. Das will die Regionalwert AG ändern. Dorle Gothe erklärt, wie das gehen kann. Mit Bürgeraktien. Und zwar ökologisch. Sozial. Und nachhaltig-wirtschaftlich.

Liebe Dorle, was hast du heute Morgen gefrühstückt?

Bis jetzt habe ich noch nichts gegessen. Aber meinen morgendlichen Kaffee heute einmal mit Hafermilch getrunken.

Würde sich etwas daran ändern, wie wir in der Region unseren morgendlichen Kaffee trinken würden, wenn wir in einer echten Bioregion leben würden?

Wir könnten Hafermilch aus der Region oder mit Bio-Milch der Monschauer Bauernmolkerei trinken. Tatsächlich gibt es ein Startup, das regionale Hafermilch herstellen will – das könnte sich ändern. Kaffee wird wohl nicht hier wachsen. ;) Aber wir haben ja auch schon ein faires Bio-Kaffee-Projekt hier. Bonn ist als Biostadt schon ganz gut aufgestellt, für meinen Frühstückskaffee.

"Regional – bio – fair" ist einer eurer Slogans – kannst du versuchen, es möglichst einfach für unsere Leser:innen zu erklären: Was ist eigentlich die Idee hinter einer Regionalwert AG?

Die Idee ist es, die Region nachhaltig zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um den ökologischen Anbau vor Ort. Sondern um die gesamte Wertschöpfungskette, das heißt, um alle Produktionsstufen von der Lebensmittelerzeugung auf dem Acker über die Verarbeitung, den Handel, bis auf den Teller der Verbraucher:innen.

Mal ein Beispiel: Was ist an einer Kohlrabi, die hier in der Region geerntet wird, noch regional und nachhaltig, wenn der Samen aus China kommt und der Torf aus der Ukraine. Selbst der regionale Kohlrabi hat ganz schön viele Kilometer auf dem Buckel.

Wenn ich nachhaltig sein will, geht das nur, wenn ich ökologische, soziale und regional-wirtschaftliche Entscheidungen treffe.

Wissenswertes

Die Regionalwert AG in Zahlen

Die Regionalwert AG Rheinland wurde 2016 als vierte Regionalwert AG in Deutschland gegründet, um eine nachhaltige enkeltaugliche Landwirtschaft zu fördern.

Die Idee: Bürger und Bürgerinnen beteiligen sich durch den Kauf von Aktien an der nachhaltigen Entwicklung der Region. Mit finanziellen Beteiligungen und einem regionalen Partnernetzwerk von mittlerweile 40 regionalen Betrieben, die sich gegenseitig in Vermarktung und Logistik unterstützen, wird der Auf- und Ausbau von regionalen Wertschöpfungsketten gefördert.

Bis jetzt wurden insgesamt 3,2 Mio. Euro Kapital zur Verfügung gestellt, etwa 2 Mio. Euro wurden bereits in 14 Biobetriebe investiert, z. B. in neue Gemüsebaubetriebe, Hofnachfolge, eine regionale Lieferkiste mit Radlogistik, zwei Molkereien, eine mobile Käserei, einen Stallbau mit Festmist und Kompostierung und bald auch für mobiles Schlachten. Durch Kooperationen im Partnernetzwerk profitieren die Partnerbetreibe z.B. durch die Zusammenarbeit in Vermarktung und Logistik und haben einen regelmäßigen fachlichen Austausch.

Als Einzelbetrieb ist es häufig weder einfach noch rentabel, ökologische, soziale und regional-wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Die Regionalwert AG hat es sich also zum Ziel gemacht, dieses Problem gemeinsam anzugehen?

Unbedingt! Das geht eben nur zusammen. Wenn ich das als alleiniger Betrieb versuche, schaffe ich das gar nicht. Die Aufgabe der Regionalwert AG ist die Vernetzung – dass die Landwirte und Verarbeiter zusammenkommen. Wir können für die Einzelbetriebe in der Region das organisieren, was gegebenenfalls in der Wertschöpfungskette noch fehlt – zum Beispiel mobile Schlachteinheiten. Schlachthäuser gibt es kaum noch, das ist eine echte Lücke. Und wenn wir es schaffen, die Lücke zwischen Betrieb und Kund:innen mit einer mobilen Schlachteinheit zu schließen, kann der Betrieb direkt an Kund:innen verkaufen und es entstehen lokale Bezüge – ohne viel Verkehr und mit einem guten Erzeugerpreis.

Vor welchen Hindernissen stand die Regionalwert AG Rheinland in der Vergangenheit?

Ich würde sagen: Den Bekanntheitsgrad zu steigern und breit in die Öffentlichkeit zu kommen. Das ganze Thema ist auch häufig nicht so einfach zu erklären und in der Presse unterzubringen. Ich glaube, viel mehr Menschen würden mitmachen und sich engagieren, wenn sie von uns bzw. unseren Projekten wüssten.

Was für eine innere Haltung braucht man, um gemeinsam mit dem Team Hindernisse zu überwinden?

Man braucht Geduld, Durchhaltevermögen und Konsequenz. Aber vor allem: Power in der Kommunikation und viele tolle Menschen, die Andere aufrütteln. Menschen, die mit Emotionen Großes erreichen.

Ein tolles Beispiel sind unsere Aktionär:innen. Die Bürgeraktiengesellschaft ist eigentlich ein Netzwerk von Netzwerker:innen. ;) Alle Aktionär:innen sind auch selbst aktiv – in der Slowfood-Bewegung, der SoLaWi oder auch politisch. Diese Menschen setzten sich vor Ort ein und da kommt richtig was in Bewegung. Da hat man das Gefühl: Da geht was.

Sag mal, gibt es noch etwas, was du unseren Leser*innen mitgeben willst?

Am besten immer gut essen. Sich über die Produkte im (Bio)Laden oder der Biolieferkiste informieren, mit Freunden zusammen kommen, sich über regional-saisonal-ökologisches Essen austauschen und mit Erzeugern vor Ort sprechen, z. B. in einer der Marktschwärmereien oder auf dem Ökomarkt. Oder auch selbst mit anpacken, in einer der Bonner SoLaWis, im Selbsterntegarten oder bei der Essbaren Stadt. Es macht Spaß, ist lecker und gut für Umwelt, Tier und Mensch.

Von daher: Go for it!

Interview: Michelle Gille

 

Linktipps

Globale Nachhaltigkeitsziele – Sustainable Development Goals (SDG)

Die Regionalwert AG leistet einen wertvollen Beitrag zu mindestens drei SDGs
  • SDG 8: Menschwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum: Nachhaltig wirtschaften als Chance für alle
  • SDG 12 Nachhaltige/r Produktion und Konsum: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen
  • SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz: Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen
eine Person setzt junge Salatpflanzen in die Erde

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In den letzten zehn Jahren ist viel passiert in Sachen Ernährung in Bonn. Es gibt immer mehr

Kleidung hängt an einer Stange

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Hier erzählen wir die Geschichte der nachhaltigen und klimafreundlichen Wirtschaft in und um Bonn

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Kennenlernen der Neuen Stadtgärtnerei bei einem gemütlichen Brunch im Freien und anschließendem Besuch des Geländes der Neuen Stadtgärtnerei

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