Stimmt’s? Häufige Irrtümer rund um Wohnen, Dämmen und Wärme
Celia Schütze, Diplom-Ingenieurin für Architektur und Leiterin der Bonner Energie Agentur, und Barbara Fricke, Expertin für erneuerbare Energiesysteme, klären auf.
Je weniger Energie wir zum Heizen brauchen, desto unabhängiger sind wir, sagen die beiden. Das heißt, wir müssen unsere Häuser und Wohnungen so gut wie möglich dämmen und sanieren. Das ist die Aufgabe dieses Jahrzehnts. Eine Gemeinschaftsaufgabe, denn wenn wir uns zusammenschließen, könnte das Dämmen und Sanieren einfacher und günstiger werden. Sicher ist: Wir werden viel lernen und viele Dinge tun, die wir vorher noch nie getan haben, zum Beispiel uns mit Dämmstoffen auseinandersetzen. Oder über Wärmenetze diskutieren. Hier findet ihr nun ein paar verbreitete Irrtümer aus der Beratungspraxis. Ein Einstieg in die Welt des Wohnens der Zukunft.
„Wenn ich Photovoltaik aufs Dach packe, dann kann ich das Gas beim Heizen ersetzen.“
Das klappt leider nicht, denn die Sonne scheint im Sommer, die Heizung brauche ich im Winter – der Photovoltaik-Strom reicht nicht für die benötigte Wärme. Dafür brauchen wir eine neue Form der Wärmeversorgung, zum Beispiel Fernwärme oder Wärmepumpen.
„Das Dämmen kann ich mir sparen, wenn ich Photovoltaik installiere.“
Mit Photovoltaik ersetzt man vor allem fossile Brennstoffe zur Stromerzeugung und kann 1–5 Tonnen CO2 jährlich sparen. Um Wärme im Winter zu erzeugen, brauchen wir bislang weiterhin Öl und Gas. Das verursacht ca. 2 Tonnen CO2-Emissionen pro Person und Jahr. Wenn wir uns davon unabhängig machen wollen, dann müssen wir so viel wie möglich sanieren. Durch Sanierung lässt sich der Energieverbrauch um bis zu 80 % senken.
„Wir können unseren Energieverbrauch einfach durch regenerative Energien ersetzen.“
Um das zu erreichen, hätten wir schon vor 10 Jahren im Sekundentakt Photovoltaik- und Windenergieanlagen bauen müssen. Unser Energieverbrauch ist insgesamt zu hoch, um ihn durch Erneuerbare zu decken; das, was wir aktuell brauchen, reicht nicht für alle.
„Wir betreiben unsere Heizungen einfach mit Wasserstoff.“
Das wird eher nicht der Fall sein. Denn Wasserstoff wird vor allem in die Großindustrie und den Schwerlastverkehr fließen. Künftig wird ein Großteil der klimaneutralen Wärme durch Großwärmepumpen bereitgestellt. Weitere relevante Wärmequellen sind Solarthermie, Geothermie und Abwärme, wobei deren jeweiliger Anteil nicht einheitlich vorhersagbar ist. Die Wärmeerzeugung aus Bio<masse und Wasserstoff wird mit vergleichsweise geringen Anteilen beschrieben, so die Angaben der Forschungsgesellschaft für Energie<wirtschaft mbH und des Hamburg Instituts zur zukünftigen Fernwärme in einer Kurzstudie von 2021.
„Denkmalgeschützte Häuser können nicht saniert werden.“
Auch in Bonn gibt es gute Beispiele, die zeigen, dass man sogar denkmalgeschützte Gebäude auf Neubau-Standard sanieren kann. So lassen sich ca. 80 % der Wärme einsparen; die schöne Fassade bleibt erhalten, wenn man innen fachgerecht dämmt. Mehr Infos gibt es bei der Bonner Energie Agentur.
„Klimageräte zur Kühlung sind kein Problem, wenn wir sie mit grünem Strom betreiben.“
Irrtum: Denn wir müssen unseren Verbrauch mit allen Mitteln senken, um genug Strom für die lebenswichtigen Dinge zu haben. Lösung: Dächer dämmen, auch das hilft bei der Kühlung.
„Für alte Menschen lohnt es sich nicht zu dämmen, sie können auch warten, bis die Kinder das Haus übernehmen.“
Das Risiko bei dieser Haltung: Die Preise steigen immer weiter …
„Häuser schimmeln und können nicht atmen, wenn man sie dämmt.“
Ein Haus „atmet" nicht. Der Luftaustausch erfolgt NICHT über die Bauteile. Eine Außendämmung verbessert sogar die Robustheit gegen Schimmel. Denn vor der Dämmung ist die Temperatur auf der Innenseite der Außenwand niedrig, das erhöht das Schimmelrisiko. Nach der Dämmung ist die Temperatur auf der Innenseite der Außenwand höher. Das vermindert das Schimmelrisiko.
„Die Herstellung von Dämmmaterialien verbraucht mehr Energie, als sie im Betrieb einsparen.“
Alle Dämmstoffe haben nach spätestens zwei Jahren so viel Energie eingespart, wie für deren Herstellung benötigt wurde. Richtig ist: Wir können möglichst ökologisch dämmen, mit nachwachsenden oder Recycling-Dämmstoffen wie Holzweichfaser oder Zellulose-Flocken. Andere Baustoffe tragen erheblich mehr zu CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch bei, vor allem Beton und Stahl.
„In Passivhäusern darf man die Fenster nicht öffnen.“
Im Passivhaus können alle Fenster geöffnet werden – man muss es aber nicht, da die kontrollierte Lüftung permanent für Frischluft sorgt. Außerdem sorgt die Lüftung durch Wärmerückgewinnung dafür, dass über die Lüftung keine Wärme verloren geht. Dadurch brauchen Passivhäuser so wenig Energie, dass keine normale Heizung mehr nötig ist.
Warm Wohnen wird zur großen Gemeinschaftsaufgabe
... sagen Celia Schütze und Barbara Fricke. Für jedes Stadtviertel braucht es eine eigene Planung, die Energie- und Wärmeleitplanung, passend zu den Häusern und den Menschen, die dort wohnen. In manchen Vierteln wird es Wärmenetze geben. In anderen müssen Wohnbau-Unternehmen überzeugt werden, so zu sanieren, dass die Warmmiete nicht steigt. Und manche Viertel werden mit Wärmepumpen oder mit Abwärme versorgt. Am wichtigsten aber ist, dass wir so wenig Wärme wie möglich brauchen.
Tipps und Links für Bonn
Für Mieter:innen: Die wichtigsten Tipps, um Heizkosten zu sparen
Gute Beispiele aus anderen Städten
Wandel zusammen machen: Bürger:innen können sich zusammentun und gemeinsam mit dem Lernprogramm Klimanauten ihre Häuser und ihr Konsumverhalten ändern.
Öffentliche Gebäude wie Schulen können zur Keimzelle der Wärmewende werden, denn sie können Energie und Wärme für andere Gebäude zur Verfügung stellen. Mehr Infos dazu: https://www.urbane-waermewende.de/
Hier geht es zum Freiburger Projekt „kleiner wohnen – besser wohnen“.
Ausbildung zu Klimaschutzpat:innen bei der Energieagentur Rheinland-Pfalz
Text: Celia Schütze, Barbara Fricke und Gesa Maschkowski. Redaktion: Daniela Baum